Bernhard Heckler

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DIE ZEIT

10.03.22

Die nasseste Tanzfläche der Welt

Wie feiert es sich in einem Heilbad? Und wie fühlt sich eine Poolparty bei Minusgraden an? Auf der Suche nach Antworten reist der Reporter Ihres Vertrauens zur "Sparty" nach Budapest

Reportage

DIE ZEIT

07.03.22

Küken auf Eis

Es wird langsam dunkel. Da vorn sind Holzhütten. Hoffnung. Die erste Nacht soll nämlich noch in einer Hütte stattfinden. Ich frage: "Herbert, ist es das?" Herbert, unverständlich murmelnd: "Hmnhä." Ich: "Ja???" Herbert: schweigt, geht. Ich: "Nein?" Herbert: setzt einen Fuß vor den anderen. Ich, leise in mich hineinjammernd: "Wohl nicht." "Jetzt noch 200 Meter hoch und 50 Meter links", sagt Herbert, als wir die Holzhütten erreichen: "Und dann sind wir da." Das sind genau die berühmten 250 Meter, denke ich, die immer zwischen den Hütten und den Erfrorenen liegen, die im Schneesturm die Orientierung verloren haben.

Reportage

A-Z Das Deutschlandmagazin

18.11.21

Menschen allesamt

Tegernsee. Obere Hanglage, Traumblick. Es ist sechs Uhr morgens. Der Ehrenpräsident des FC Bayern München, Uli Hoeneß, ist seit drei Stunden wach. Möglichst leise, um seine Frau nicht zu wecken, geht er nach unten ins Wohnzimmer. Unter seinem Morgenmantel ist er nackt, den schweißnassen Pyjama hat er oben im Bad ausgezogen. Er fühlt sich unfassbar schlecht. Staubtrockener Mund, tonnenschwere Augenlider, sein schnell schlagendes Herz pumpt mit viel zu viel Druck das cholesterinübersättigte, dickflüssige Blut durch die engen, prallen Adern in die abgelegenen Winkel seines massiven, alten Körpers. In der Küche lässt Hoeneß sich auf einen Stuhl fallen. Die Nacht hat ihm so sehr zugesetzt, dass er es jetzt nicht mal mehr schafft, sich noch kurz ein Glas Wasser zu holen. Um drei ist er hochgeschreckt, wie so oft, er kennt das schon, plötzlich keine Luft mehr, Todesangst, unkontrolliertes Wimmern. Es ebbt immer nach ungefähr einer Minute ab, aber die Nacht ist dann gelaufen. Seine Susi will er nicht mehr aufwecken, die hat er schon so oft um den Schlaf gebracht. Ein Blick in ihr ruhiges Gesicht, und er weiß, was für ein Glück er immer schon gehabt hat. Draußen füllt der Morgennebel das Tal wie Stickstoff. Hoeneß verspürt ein ungeheures Verlangen, die Balkontür zu öffnen und barfuß rauszugehen, kurz den nassen Rasen unter den Füßen zu spüren, ein bisschen frische Luft ins Gesicht zu bekommen. Aber er kommt nicht aus seinem Stuhl hoch. Er spürt die Präsenz seines Bauchs. Manchmal steht er nackt vor dem Spiegel und packt den Bauch mit beiden Händen. In diesen Momenten hasst er sich. Andererseits: Sein Körper ist ein Gravitationsfeld der Macht, er ist das fleischige, magnetische Zentrum des größten deutschen Fußballvereins, dieser unendlich komplizierten, trotzdem perfekt laufenden, organischen Maschine FC Bayern München.

Kurzgeschichte

Die Zeit

18.11.21

In 3 Drinks durch München

Es folgt der Höhepunkt des Abends: Grundsätzlich sehnsuchtsaffiner Typ, aufgefüllt mit den Sehnsuchtsbeschleunigern Sazerac und Remedy-Rum, taucht ab in eine "Classic Dive Bar". Es ist postpandemisch voll. Ein Motorrad lehnt an der Wand, eine vierstellige Zahl BHs hängt überm Tresen, eine Diesel-Zapfsäule steht in der Ecke, hinter der Bar vier bis fünf Hardrocker, die alle als Geschwister von Lemmy Kilmister durchgingen. Schild mit Spruch an der Wand: "Achtung, Absturzgefahr". Musik von Korn und System of a Down. Hier sollte man vielleicht einfach ein Bier trinken.

Kolumne

SZ-Magazin

24.09.21

Viel mehr als vier Wände

Seit gut 80 Jahren steht der Nachname ­unseres Autors an einer Tür in München. Seit Kurzem wohnt er selbst dort. Eine Geschichte über einen Opa, der nie ­umziehen wollte, eine Oma, die keinen Pulli verloren gab – und die Wohnung, die sich an alles erinnert.

Nachruf

DIE ZEIT

11.03.21

Das ist mal ein Hausberg!

Minus vier Grad, vierzig Zentimeter Neuschnee, klarer Himmel: perfekte Bedingungen für einen Tag auf der Piste. Und es wird noch besser: Es ist nicht 6.30 Uhr, ich bin nicht im Halbschlaf mit meiner Ausrüstung zum Auto gestolpert und mühsam mit Schneeketten zur Piste gefahren; ich habe nicht in der Eile meine Handschuhe vergessen, und mein Equipment ist ausnahmsweise kein Schrott vom Flohmarkt. Es ist, im Gegenteil, 10.30 Uhr, als ich mit einem ausgewogenen Frühstück im Bauch, frisch geduscht und atmungsaktiv angezogen mein Skigebiet betrete: mein Münchner Wohnzimmer.

Reportage

DIE ZEIT

29.10.20

Ich geiler Typ!

Man stelle sich vor, was es ohne Narzissmus alles nicht gäbe: Sämtliche Pionierleistungen der Menschheit, sie wären kaum vorstellbar ohne eine gehörige Portion Selbstüberschätzung. Zum Mond fliegen und darauf herumspazieren zum Beispiel. Oder mit einem Auto darauf herumfahren, wie die Astronauten der Apollo-Mission. Wunderbar arrogant und größenwahnsinnig, oder? Es reicht nicht, zum Mond zu fliegen, man will dann da oben für die Fernsehkameras schon noch ein bisschen auf dem Quad-Bike herumdriften. Überhaupt Fliegen. Was für eine grenzenlose Anmaßung, Gefährte bauen zu wollen, die den Menschen in die Lüfte erheben. Andererseits wäre es eine ziemlich mühsame Globalisierung geworden, wenn der Traum vom Fliegen von Anfang an als der Größenwahn abgetan wurde, der er objektiv ja ist.

Essay

DIE ZEIT

25.07.20

Wie es wirklich ist...mit 13 beim Pornos klauen erwischt zu werden

Wir schrieben das Jahr 2004, als das große Verlangen einsetzte, und es sollte noch zwei Jahre bis zur Erfindung von YouPorn dauern, ebenso lang bis zum eigenen Laptop und damit zur großen masturbatorischen Freiheit. Meine gleichaltrigen Leidensgenossen und ich mussten für unsere Pornografie noch echte Risiken eingehen. Einsteigerhefte wie die Men’s Health oder den Playboy konnte man noch halbwegs umstandslos beim Friseur mitgehen lassen, manchmal sogar mit hochrotem Kopf kaufen, je nach pädagogischem Ehrgeiz des Verkäufers. Aber links und rechts daneben standen die wirklich interessanten, maximal expliziten Titel wie Praline, Sexy oder St. Pauli-Nachrichten. Mein Favorit war die Schlüsselloch, mit DVD-Beilage.

Kolumne

Süddeutsche Zeitung

13.03.20

Wo bist du?

Und je näher ich auf das Ende hinscrolle, das unvermeidliche Ende, das ich ja kenne, ich war schließlich dabei, umso atemloser werde ich. Das ist nicht Helene-Fischer-mäßig gemeint, ich höre mich selbst schnaufen wie eine Dampflok, während ich scrolle. zuletzt online am 1. Oktober 2017, 22.05 Uhr Wir sind am Ende angekommen.

Reportage

DIE ZEIT

22.01.20

Gehört nicht ins Feuilleton: Fußballer-Abschiedsvideos

Für Menschen, die nicht mit dem Genre Fußballer-Abschiedsvideo vertraut sind, will ich kurz erklären, wovon ich spreche. Die Handlung, immer: Großer Fußballspieler bestreitet letztes Spiel für namhaften Verein, mit dem Abpfiff endet seine Karriere, und er schüttet in einer Rede den Fans im Stadion sein Herz aus. Die wiederum schütten vor Rührung ihr Bier aus, spannen zum Gruß den Bizeps an, auf dem der Kopf oder Name des zu verabschiedenden Spielers tätowiert ist, am Schluss liegen sich ausdrücklich heterosexuelle Männer schluchzend in den Armen.

Glosse